Landtagsrede: Planungssicherheit für Perspektivschulen, der Bund muss aus den Puschen kommen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Lage in vielen Familien ist alarmierend: Zuhause wird weniger Deutsch gesprochen, Eltern haben keine Zeit für die Unterstützung des schulischen Lernens, dazu kommen oft beengte Verhältnisse, hoher Medienkonsum oder ungesunde Ernährung.
Diese Umstände stellen den schulischen Werdegang vor besondere Herausforderungen. Deshalb helfen wir seit 2019 gezielt dort, wo unsere Hilfe am dringendsten gebraucht wird. Das ist das Prinzip unserer 62 Perspektivschulen, denen insgesamt 50 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung stehen – für mehr Lehrkräfte, mehr Sozialarbeit, besondere Projekte oder Fortbildungen.
Das Modell ist erfolgreich und alle Akteure leisten hervorragende Arbeit – davon konnte ich mich jüngst an der Anne-Frank-Gemeinschaftsschule in Elmshorn überzeugen – die Fachwelt ist voll des Lobes und bestimmt ist unser Perspektivschulprogramm auch eine Blaupause für das geplante Startchancen- Programm des Bundes.
Erst im Sommer haben wir hier im Plenum den Beschluss gefasst, das Perspektivschulprogramm nicht nur fortzusetzen, sondern – mehr noch – weiterzuentwickeln. Und natürlich wird auch die Finanzierung sichergestellt sein. Die Marschrichtung ist klar: Wir wollen kein Eindampfen unseres Programms – nein, dank des Startchancenprogramms können wir es wahrscheinlich sogar ausbauen. Das Eckpunktepapier für das Bundesprogramm steht. Die Verhandlungen dazu laufen zäh, es fehlt noch der Abschluss einer Bund-Länder-Vereinbarung. Hoffen wir, dass diese bald folgt und nicht an der unsicheren Haushaltslage scheitert.
Werte SPD, mit Ihrem Antrag schüren sie nur Unsicherheiten. Natürlich ist die Verschiebung des Haushaltes suboptimal – allerdings ist das Gros der Beschäftigungsverhältnisse unbefristet – also gar nicht betroffen.
Sobald die Bund-Länder-Vereinbarung steht und es um die konkrete Ausgestaltung des Startchancenprogramms geht, wollen wir auch verstärkt befristet Beschäftigte in den Blick nehmen und uns außerdem um die Aufnahme weiterer Schulen ins Programm kümmern. Was uns in Schleswig-Holstein wirklich helfen, wäre ein rasches und verlässliches Agieren des Bundes: Startchancenprogramm jetzt und eine Verlängerung des Digitalpaktes. Denn wir haben es heute mit einer ganz anderen Schülerschaft als vor 20 Jahren zu tun. Dazu kommen immer noch Folgen der Pandemie, anhaltende Flüchtlingsströme, wachsender Fachkräftemangel. Eine der Folgen: Schleswig-Holstein fällt im Leistungsvergleich deutlich zurück. Zwar haben sich die Ergebnisse laut IQB-Bildungstrend in Englisch verbessert – mancher spricht vom „Netflix-Effekt“ –, in Deutsch sind sie aber sehr ernüchternd, so rutschten wir in Rechtschreibung sogar ins untere Drittel ab.
Gründe gibt es viele, entscheidend ist aber: Wir müssen handeln – und zwar jetzt.
Das Weg ist klar: Fokus auf die Essentials: Lesen, Schreiben, Rechnen. Und: Üben, üben, üben! Beispiel: Wer viel Rechtschreibung übt, der wird dort auch rasch Erfolge sehen, so zumindest meine Erfahrung aus der Praxis. Zudem bin ich überzeugt, der Schlüssel für erfolgreiches Lernen liegt im frühkindlichen Alter. Kinder müssen bei Schuleintritt die deutsche Sprache vernünftig beherrschen. Ein erster Schritt muss die Viereinhalbjährigen-Untersuchung im Umfeld der Perspektivschulen sein.
Mit unserem Handlungsplan „Basale Kompetenzen“ wollen wir nun weitere Maßnahmen über die Grundschule hinaus initiieren:
Stichwort „Datengestützte Schulentwicklung“: Unser Ziel: in Zusammenarbeit mit der KMK eine Lernstandserhebung zu Beginn von Klasse 5. Außerdem sollen Lehrkräfte Instrumente für Lernstandsdiagnosen in Deutsch und Mathe in 5 und 6 erhalten. Entscheidend dabei: An die Diagnostik muss sich die passende Förderung anschließen.
Sinnvoll ist ebenfalls eine gemeinsame Qualitäts- und Fortbildungsoffensive Deutsch .
Der DAZ-Unterricht gehört auf den Prüfstand: Erst Evaluierung und dann ggf. Weiterentwicklung.
Ebenso: „Niemanden zurücklassen – Deutsch macht stark“. NZL führt nur zu positiven Ergebnissen, wenn es richtig und vollständig im Unterricht aufgegriffen wird.
Und– da hat die SPD recht – sind Motivation und Interesse für den Lernerfolg entscheidend. Mehr Lebensweltbezug, also die Kinder mit Fragestellung konfrontieren, die sie auch wirklich bewegen, würde die Unterrichtsqualität beflügeln.
In allen Haushalten wird immer weniger gelesen – dafür muss in der Schule umso mehr gelesen werden! Dem müssen Didaktik, Fortbildungen und Unterricht Rechnung tragen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Sie sehen – Herausforderungen gibt es viele. Lassen Sie sie uns angehen. Lassen Sie uns heute mit der Arbeit an der Schule von morgen beginnen. Vielen Dank.