Landtagsrede: Demokratiebildung wird bereits großgeschrieben
Sehr geehrte Präsidentin,
sehr geehrte Damen und Herren,
Schulhofgewalt, Messerattacken, auch auf Polizisten, Kalifatsausrufung auf Hamburger Straßen, offener Antisemitismus, Erfolge radikaler Parteien unter Jungwählern usw.
Deutschland steht vor gewaltigen Herausforderungen – das Vertrauen in den Staat sinkt, die Gesellschaft driftet auseinander, die Wirtschaft stagniert. Populisten von rechts und links feiern Wahlerfolge, manche stellen gar die Demokratie grundsätzlich in Frage.
Was wird helfen?
Ein Vorschlag ist das „Rahmenkonzept Demokratie“, das die SPD vorschlägt. Richtig ist, dass Demokratiebildung an Schulen zentral sein muss. Richtig ist aber auch, dass Demokratiebildung kein Strohfeuer sein darf – sondern eine Daueraufgabe für Gesellschaft und Schulen.
Deshalb bin ich froh, dass Schulen bereits voller Konzepte, Rezepte und Gesetze zur Demokratiebildung sind – wir stetig neue Impulse setzen und der WiPo-Unterricht regelmäßiges Thema im Bildungsausschuss ist.
Dass es bei uns in SH gut läuft, ist keine rein subjektive Wahrnehmung, sondern Ergebnis der ICCS-Studie zur politischen Bildung: An unseren Schulen wird besonders häufig über aktuelle politische Themen gesprochen! In Schleswig-Holstein ist Demokratiebildung fest im Schulgesetz, genauer in den Bildungs- und Erziehungszielen verankert. Das Eintreten gegen Rassismus und Antisemitismus findet sich in der unlängst hier diskutierten Reform des Gesetzes, ebenfalls die stärkere Mitwirkung von Eltern und Schülern. Schule hat also bereits heute einen gesetzlichen Rahmen für die Demokratiebildung.
Nicht nur der WiPo-Unterricht ist in der Verantwortung, sondern das gesamte Fächerspektrum. Demokratie muss in den Schulen gelebt werden – in allen Fächern, im gesamten Schulgeist durch vielseitiges Engagement und Beteiligung.
Und das passiert: Bei uns werden Klassensprecherinnen und -sprecher gewählt, die Schülervertretung vertritt die Interessen der Schülerschaft und partizipiert in der Schulkonferenz. Viele Schulen geben sich als UNESCO-Schule, Europa-, Zukunfts- oder „Schulen ohne Rassismus“ einen besonderen Schwerpunkt. Ich selbst durfte über Jahre intensive Erfahrungen sammeln: Als Verbindungslehrer zur Schülervertretung, als Organisator für den Prozess zur Zukunftsschule oder als Lehrkraft für „Schule ohne Rassismus“.
Vielerorts passiert unglaublich viel: Ich erinnere mich an Wedels einzige Fridayafternoon-For-Future-Demo, organisiert von der SV, oder leidenschaftliche Diskussionen zu einem möglichen Handyverbot in der Schulkonferenz. Und gerade jüngst zur Europawahl stellten unsere Schulen wieder vielseitige Veranstaltungen auf die Beine: Podiumsdiskussionen, Projekttage und -wochen, dazu noch die vielen dialogp-Runden.
Aber, meine Damen und Herren, nichts ist so gut, dass es nicht noch verbessert werden könnte!
Wir wollen die Demokratiebildung auf Basis der ICCS-Studie überarbeiten, Aus-, Fort- und Weiterbildung der Lehrkräfte verstärken, mehr Gedenkstättenbesuche, das Schülerfeedback nun flächendeckend und verpflichtend umsetzen und die Medienkompetenz noch stärker in den Fokus nehmen, um z.B. Deepfakes erkennen und so Manipulationen verhindern zu können. Auch das Konzept der Klassenräte steht im Fokus, wo Schülerinnen und Schüler Demokratie unmittelbar erleben. Schulen sollen ermutigt werden, die Politik vor Ort kennen zu lernen.
Als die 4a gerade den Moorreger Bürgermeister besucht hat, waren die Kinder völlig baff, dass nicht der Bürgermeister alleine entscheiden kann, sondern die Gemeindevertretung. Solche Formate nach dem Prinzip „Vom Nahen zum Fernen“ müssen wir ausbauen: Warum nicht mal den Stadtrat besuchen oder ein Planspiel veranstalten, mit Lokalpolitikern Fragen von vor Ort diskutieren? Denn junge Menschen gewinnt man durch Themen, die sie bewegen und ihr Leben tangieren!
Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, reiner Aktionismus wird nicht helfen. Ein neues Papier braucht kein Mensch! Viel fordern hilft nicht viel – viel machen hilft viel. Bei uns wird Demokratiebildung bereits großgeschrieben und stetig weiterentwickelt. Vieles steht und fällt mit dem Engagement Einzelner. Also lasst uns unsere Lehrkräfte ermutigen und ihrer Expertise vertrauen, dass sie weiterhin alles für die Förderung unserer Demokratie tun.
Einen letzten Gedanken möchte ich der SPD noch mit auf den Weg geben:
Der allerbeste Schutz gegen das Erstarken der Radikalen auf allen Seiten des politischen Spektrums ist eine gute Politik, die die realen Probleme der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land löst und sie nicht beschönigt.
Bitte richten Sie das dem Kanzler aus!