Landtagsrede: Chancen des Ganztagsausbaus nutzen

Published25. Februar 2024

AuthorMartin Balasus

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Viele Wege führen nach Rom – und auch viele Wege führen zur Bewältigung der Bildungsherausforderungen. Ganztags-Schulen sind ein wichtiger Teil davon. 2026 starten wir bundesweit mit der Umsetzung des Rechtsanspruchs auf einen Ganztagsplatz. Nicht mehr viel Zeit! Wir beginnen aufwachsend mit Klassenstufe 1 – also gilt ab dem Schuljahr 2029/30, dass für jede Grundschülerin und jeden Grundschüler ein Platz zur Verfügung stehen muss.

Keine Sorge, Ganztagsschulen wollen nicht die Familien ersetzen – wir sind ja schließlich nicht in der DDR. Sie sollen das Familienleben ergänzen, unterstützen und entlasten, indem z.B. Hausaufgaben in der Schule erledigt werden.

Nicht jedes Elternhaus kann gleichermaßen dem Nachwuchs dabei helfen, das Verlagern in die Schule stellt also einen Meilenstein für die Verbesserung der Chancengerechtigkeit dar.

Der Ganztag bringt eine Vielzahl weiterer Chancen mit sich:

Eltern können sich auf eine qualifizierte Betreuung verlassen, welche die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert.
Schülerinnen und Schüler können sich intensiver mit dem Lernstoff auseinandersetzen, da mehr effektive Lernzeit und damit mehr Raum für individuelles Fördern und Fordern zur Verfügung steht.

Nicht zu vergessen, dass mehr Zeit in der Gemeinschaft anderer Kinder und über verschiedene Alters- und Klassengrenzen hinweg die Sozialkompetenz beflügelt.

Der entscheidende Punkt fehlt aber noch – nämlich die ganzheitliche Bildung. Jeder Pädagoge kennt Wilhelm von Humboldts Bildungsideal:

„Der wahre Zweck des Menschen ist die höchste und proportionierlichste Bildung seiner Kräfte zu einem Ganzen.“

Der Mensch soll also alle Talente und Fähigkeiten, die ihm innewohnen, entwickeln – nur so entsteht ein harmonisches Ganzes. Diese 250 Jahre alten Ideen des großen Bildungsreformers lesen sich wie eine Blaupause für unseren Ganztag. Wir wünschen uns ein breites, vielfältiges Angebot, das den Sport, die kulturelle Bildung, außerschulische Initiativen sowie Vereine und Verbände einbindet.

Nur eine enge Zusammenarbeit auf Augenhöhe zwischen Land und Sport, dem Verein- und Verbandswesen, Trägern der Jugendhilfe und der kulturellen Bildung kann der richtige Weg sein. Übrigens gehören Bewegungs- und Sportangebote neben der Mittagsbetreuung zum häufigsten und beliebtesten Angebot der Ganztagsschulen, von denen es inzwischen über 600 in Schleswig-Holstein gibt.

Das ist Rückenwind für unseren Sportland-Prozess, aber auch gleichzeitig Ansporn, dem Sport – der so elementar für Gesundheit, persönliches Wohlbefinden, soziale Gemeinschaft, lokale Verbundenheit usw. ist – genügend Raum zu geben.

Bewegung und Sport beflügeln das konzentrierte Lernen. Also wollen wir Schwimmen in den Ganztag integrieren. Und: Eine Bewegungsstunde pro Woche ist da natürlich nur das absolute Minimum – selbstverständlich brauchen und wollen wir hier noch mehr Angebote! Mein Traum wäre flächendeckend eine tägliche Sportstunde, aber das ist zumindest derzeit schlichtweg unrealistisch. Aber träumen muss man, wenn man möchte, dass etwas irgendwann Realität wird!

Wie geht es weiter?

Bis Ende 2024 wird das Ministerium den Entwurf eines Rahmenkonzeptes zur Qualität des Ganztages und der Schule als Lern- und Lebensort vorlegen. Vieles muss bedacht werden – die Fragen nach Kooperation, Partizipation, Fachkräften, Räumen und Verzahnung usw. Viele Aspekte sind nicht so leicht zu klären – allein die Fachkräftefrage ist schon eine gewaltige Herausforderung. Multiprofessionelle Teams wachsen nicht auf Bäumen. Erst recht nicht in Zeiten des sich zuspitzenden Fachkräftemangels.

Wir haben es also hier mit einem komplexen Sachverhalt zu tun, der kein Spaziergang wird. Da macht es sich die FDP zu einfach, wenn sie behauptet, eine schlichte Vereinbarung zwischen Land und LSV regele alles. An dieser Stelle möchte ich mich beim LSV für ihre Handlungsempfehlungen zum Ganztag bedanken. Sie werden selbstverständlich in das Konzept einfließen.

Aber das Jahr ist ja gerade erst angebrochen – Also bitte ich um Geduld! Es wird noch bis zum Ende des Jahres brauchen, um Erkenntnisse und Impulse der zurzeit stattfinden Regionalkonferenzen einzupflegen.

Ich freue mich auf die inhaltlichen Aufschläge und bin überzeugt, dass am Ende alle – Schule und außerschulische Partner wie Sportvereine, Musikschulen, kulturelle Vereinigungen – profitieren werden. Und damit könnten wir zufrieden sein – der alte Humboldt wäre es sicher gewesen!

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